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Fanny

Musical

 

Musik und Gesangstexte von Harold Rome 
Buch von Samuel Nathaniel Behrman und Joshua Logan   
Deutscher Text von Günther Schwenn und Michael Freytag

 


Inszenierung


Deutschsprachige Erstaufführung: 16. Dezember 1955
Bayerisches Staatstheater, Theater am Gärtnerplatz, München, Bundesrepublik Deutschland

 

  • Regie: Willy Duvoisin
  • Musikalische Leitung: Silvio Varviso
  • Choreografie: Heino Heiden
  • Bühnenbild: Max Bignens
  • Kostüme: Alfons Rothärmel
  • Chor: Hanns Haas

 

Besetzung:

  • César: Benno Kusche
  • Marius, sein Sohn: Ferry Gruber
  • Honorine: Trude Hesterberg
  • Fanny, ihre Tochter: Christine Görner
  • Panisse, Segelmacher: Kurt Großkurth
  • Admiral: Viktor Afritsch
  • Escartefigue: Christian Oppelberg
  • Brun: Kurt Walldorf
  • Eine arabische Tänzerin: Erica Nein
  • 2. Maat: Ottokar Schmidt-Bertsch
  • Louis: Emil Braun-Dorn
  • Césario: Joachim Müller
  • Postbote: August Lampl

 

  • Tänzer: Erica Nein, Ladislaus Häusler, Ulli Bell, Karl Heinz King

 

 

 

Premierenchronik

USA UA 4. November 1954 Majestic Theatre, New York
D Dspr. EA 16. Dezember 1955 Staatstheater am Gärtnerplatz, München
CH EA 17. September 1956 Stadttheater Basel
GB EA 15. November 1956 Theater Royal Drury Lane, London
A EA ? März 1959 Landestheater Linz
DDR EA 20. April 1968 Musikalische Komödie, Leipzig

 

 

 

Inhaltsangabe


Fanny erzählt eine Geschichte aus der französischen Hafenstadt Marseille in den ausgehenden 1920er Jahren. Im Zentrum stehen das junge Mädchen Fanny und ihr Lebensweg. Sie und Marius, der Sohn des Kneipiers Cesar, lieben einander. Angesichts der vielen Schiffe jedoch, die täglich den Hafen verlassen, ist Marius von Fernweh erfüllt. So heuert er eines Nachts als Matrose an und verlässt heimlich die Stadt. Zurück bleibt Fanny, unglücklich und schwanger. Um ihr Kind nicht unehelich zur Welt bringen zu müssen, willigt sie auf Drängen ihrer Mutter Honorine in die Heirat mit dem ungeliebten Panisse ein, einem älteren Witwer mit einer gutgehenden Segeltuchfabrik. Ihn stört Fannys Schwangerschaft nicht, da seine erste Ehe kinderlos geblieben war und er noch einen Erben für sein Geschäft braucht. Fanny bringt einen Sohn zur Welt, den alle für das Kind von Panisse halten. Plötzlich taucht Marius wieder auf und meldet Ansprüche an Fanny und seinen Sohn an. Fanny liebt ihn immer noch, doch schickt ihn wieder fort. Er habe kein Recht mehr auf sie. Jahre später stirbt Panisse. In der Todesnacht treffen alle wieder zusammen, selbst Marius erscheint. So finden dann doch noch die beiden Liebenden - mit Zustimmung des sterbenden Panisse - zueinander.

(Wolfgang Jansen)

 

 

 

Kritiken

 

"Mit größter Erwartung sah man der ersten Aufführung eines ´Musical´ in München entgegen. Aus Amerika kam die Kunde, diese beliebteste Form der New Yorker Broadway-Theater vereine in neuartiger Weise Elemente der Operette, des Volksstücks und der Revue, übertreffe die Operette durch größeren literarischen Ehrgeiz, das Volksstück durch musikalische und tänzerische Ambitionen. Das Musical schien berufen, die festgefahrene Operette wieder flottzumachen, ihre Sentimentalität und ihre Klischeetypen zu überwinden. Diese Hoffnungen sind durch unser erstes Münchener Musical ´Fanny´ zunächst stark gedämpft worden. Liegt es daran, daß ´Fanny´ vielleicht gar kein typisches Musical ist, oder daß man sich durch die bezaubernden Bühnenstücke von Pagnol, die ´Fanny´ zugrunde liegen, zu übertriebenen Erwartungen verführen ließ, oder aber daran, daß ´Fanny´ einfach ein schlechtes Stück ist? […]

Am schlimmsten jedoch ist, daß die Musik versagt. Harold Rome schreibt eine Art Filmmusik, ein physiognomieloses Musik-Esperanto, überall und nirgends zu Hause.

Wenn ´Fanny´ trotzdem stark fesselt, so liegt das an den außergewöhnlichen Qualitäten der Wiedergabe. Bezaubernd sind die Bühnenbilder von Max Bignens. Es ist, als ob die Straßen und Häuser von Marseille, die Kneipen und Buden, die Schiffe und das Meer zu leben begännen, als ob sie in tausend Stimmen zu uns sprächen. Bignens hat das Gefühl für das Atmosphärische, aber auch den Sinn für das Praktische, versteht es, die Szene mit Hilfe der Schiebebühne und eines aparten, durchsichtigen Zwischenvorhangs blitzschnell zu verwandeln. Die Regie Willy Duvoisins besitzt den Charme der Natürlichkeit. Sie steuert über die Untiefen der Sentimentalität mit Tönen echten Gefühls hinweg, zeichnet festumrissene Typen und hütet sich, zu ironisieren und zu überspielen."

Helmut Schmidt-Garre: "Fanny" - Münchner Debüt eines Musicals. In: Münchner Merkur, 19. Dezember 1955.

 

"Da haben wir nun, in europäischer Erstaufführung, das erste Musical in München erlebt. […]

Das Musical, dessen Möglichkeiten man nicht nach dieser einen, ersten Begegnung beurteilen sollte, verlangt hervorragende Schauspieler und Sänger in einem. Der Dialog, in der herkömmlichen Operette ein notwendiges Übel, ist hier Träger der Handlung: man kann ihn nicht in der alten Stichwort-Manier herunterdeklamieren, wie es seit eh und je die Opernleute zu tun pflegen. Und so ist selbst ein so hervorragender Sänger wie Benno Kusche in einem Musical fehl am Platz, wenn es ihm nicht gelingt, die Figur Césars auch vom Schauspielerischen her voll zu erfassen. Dieser Bistro-Besitzer, der da jeden Tag mit dem gleichen Glockenschlag unter irgendeinem simplen Vorwand trotz seiner grauen Schläfen irgendwelchen schönen Damen nachsteigt, den mit seinen Nachbarn Panisse von Kind auf eine unzertrennliche Haß-Freundschaft verbindet, der Tag für Tag mit ausgemachten Trotteln Karten spielen muß und doch keinen von ihnen missen möchte, erfordert – auch im Musical – ein vitales Schauspielertum. Kusche ist davon ebensoweit entfernt wie Trude Hesterberg, die mit dem neuen Stil nicht fertig wird und ihre Lacher mit ein paar hübschen Tricks aus ihrer alten Zauberkiste hervorkitzelt. Sie ist eine herrliche komische Alte, aber eine Honorine ist sie nicht. […]

Das also war das erste Musical. Es wird das letzte nicht sein. In dieser modernen Singspielform stecken mehr Möglichkeiten, als ´Fanny´ ahnen ließ. Das Musical könnte mit seiner Naivität und Ursprünglichkeit, seinem volkstümlich unterhaltsamen Gesamtcharakter die Showbühne wieder zum – Theater machen. Es könnte...“

Walter Panofsky: "Fanny - ein Musical nach Pagnol. In: Süddeutsche Zeitung, 19. Dezember 1955.

 

"Das Musical, das gestern in Gestalt der ´Fanny´ als europäische Erstaufführung seinen Antrittsbesuch in München machte, ist noch ein Kind. […]

Kinder haben die Gewohnheit, mit allem zu spielen, was eigentlich nicht für sie bestimmt ist. […]

Das Musical wird in Europa erzogen werden; das struppelige Kind muß erfahren, was Witz, Nerven, Stimmungen, Geschmack und Takt für köstliche Dinge sind. Das Kabarett wird sein Hofmeister sein; Dichter, nicht literarischer Freibeuter und Schnorrer, müssen es an der Hand nehmen, Musiker, nicht Tonfabrikanten, müssen ihm Kleider schneidern.

Den ersten Schritt zur Einbürgerung dieses Kindes aus Amerika hat Willy Duvoisin getan. Seine Inszenierung brachte Pagnol-Stimmungen in die Pagnol-Schnorrerei, zauberte Marseille aus der Buntdruckkarte von Onkel Sam. Was menschlich und rührend, überzeugend und herzlich war an dieser so prachtvoll komödiantischen Aufführung, ist Duvoisins Verdienst. Er ist der Columbus, der den neuen Theater-Erdteil des Musicals mit europäischen Schiffen ansteuerte. […]

Es gab viel Beifall, viel lange Gesichter und viel herbe Worte gegen das Kind Musical. Doch ihm gehört das Morgen, auch wenn es heute noch tolpatschig tapst. Im Kern war der gestrige Abend der erfreulichste Abend im Theater am Gärtnerplatz. Frischer Wind kündigt sich an.“

Karl Schumann: Gestern im Theater am Gärtnerplatz, Das erste Musical in München. In: AZ, 17./18. Dezember 1955.

 

 

 

Medien / Publikationen


Audio-Aufnahmen

  • "Fanny". Original Broadway Cast, 1954, RCA Victor.
  • "Harold Rome - the composer of Fanny plays selections from Fanny". Studioaufnahme, 1954, Heritage.
  • "Fanny". Studioaufnahme Instrumental von Eadie and Rack, 1954, Liberty Music Shop.
  • "Fanny". Soundtrack der Verfilmung, 1961, Stage Door.

 

Literatur

  • Marcel Pagnol: Marius - Fanny - Cesar, Szenen aus Marseille. Wilhelm Goldmann Verlag, München, 1986.
  • Wolfgang Jansen: „…konzentrierter Broadway mit Tollheit, Träne und Tempo“, Zur europäischen Erstaufführung von Harold Romes ´Fanny´ 1955 in München. In: Ders.: Musicals, Geschichte und Interpretation. Gesammelte Schriften zum populären Musiktheater, Band 1, Münster u.a.: Waxmann 2020, Seite 74-78.

 

 

 

Kommentar

 

Die deutschsprachige Erstaufführung von "Fanny" war zugleich die europäische Erstaufführung.

 

 

 

Empfohlene Zitierweise


"Fanny". In: Musicallexikon. Populäres Musiktheater im deutschsprachigen Raum 1945 bis heute. Herausgegeben von Wolfgang Jansen und Klaus Baberg in Verbindung mit dem Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. www.musicallexikon.eu

Letzte inhaltliche Änderung: 21. Juni 2021.