Sie sind hier: Startseite Inhalte Fiktiver Report über ein …

Fiktiver Report über ein amerikanisches Pop-Festival (Képzelt riport egy amerikai Pop-Festiválról)

Tragisches Musical in zwei Teilen 


Musik von Gábor Presser  
Buch von Sándor Pós  
Nach der gleichnamigen Erzählung von Tibor Déry  
Liedtexte von Anna Adamis  
Aus dem Ungarischen von Hans Skirecki  
Nachdichtung der Liedtexte von Wolfgang Tilgner

 

 

Inszenierung


Deutschsprachige Erstaufführung: 21. November 1974 
Deutsches Nationaltheater Weimar, DDR

  • Musikalische Leitung: Jens-Uwe Günther
  • Regie: Lászlo Marton
  • Bühnenbild: Miklos Fehér 
  • Kostüme: Bernhard Schwarz
  • Choreografie: György Geszler

 

Besetzung:  

  • Jozsef: Detlef Heintze
  • Junge: Thomas Schneider
  • Juana: Elke Wieditz
  • Manuel: Wolf-Dietrich Voigt
  • René: Roland Seidler
  • Dr. Marianne: Roswitha Marks
  • Mariannes Mann: Thomas Gumpert
  • Bill: Karl Albert
  • Richter: Peter Rauch
  • Zeuge: Hans Radloff
  • Eszter: Sylvia Kuziemski
  • Beverly: Barbara Lotzmann
  • Frantisek: Hansgerd Sonnenburg
  • Joshua: Eckart von der Trenck
  • Herr C.: Ulrich Milde
  • Höllenengel / Pfeilkreuzler-Vogel: Hasso Billerbeck
  • 1. Mädchen: Gabriele Streichhahn
  • 2. Mädchen: Brigitte Heinrich

 

 

Premierenchronik

HUN UA 2. März 1972 Vígszínház Müvészei, Budapest
DDR Dspr. EA 21. November 1974 Deutsches Nationaltheater, Weimar

 

 

Inhaltsangabe


Zu Beginn versammeln sich alle Mitwirkenden auf der Bühne und präsentieren sich als Gruppe, die einen "Report" zur Darstellung bringt. "300.000 haben sich auf den Weg zum Popfestival nach Montana gemacht", heißt es im Programmheft, "60-80 von ihnen blieben und beschlossen, die Gegend zu säubern. Diese Übriggebliebenen erzählen mit dem Stück noch einmal das Erlebte." Protagonisten der nachfolgenden Handlung sind Jozsef und Eszther, ein junges Ehepaar, das sich aber getrennt zum Festival aufmachte. Beide stammen ursprünglich aus Ungarn und lernten sich erst in den USA kennen. Jozsef floh als Kind mit seinen Eltern nach der Niederschlagung des ungarischen Aufstands 1956 in den Westen. "Wir suchten die Freiheit", erklärt er. Eszther hingegen ist Jüdin, die nur zufällig den Holocaust überlebte, und als Kind mit ansehen musste, wie die Pfeilkreuzler, der ungarische Ableger der Faschisten, ihre Eltern und andere Juden zusammentrieben und umbrachten. 

Dramaturgisch entspricht die Szenenfolge der Suche Jozsefs nach seiner Frau inmitten der unüberschaubaren Zuschauermenge. Er ist in Sorge um sie, befürchtet er doch, dass sie den Verlockungen der überreichlich angebotenen Drogen nicht widerstehen kann. Seine (und ihre) Erlebnisse auf dem Festival offenbaren es als eine Art apokalyptischer Hölle, wo eine Band mit dem sprechenden Namen Santanas das Konzert eröffnet, die Hells Angel ihre brutale Ordner-Macht ausüben, Mick Jagger als Inkarnation des Beelzebubs herumspringt, bis schließlich das Himmelsgewölbe selbst sich verdüstert und einzustürzen droht - und Eszther von der latenten, rauschaften Aggression, die über allem liegt, in beängstigende traumatische Zustände gerissen wird. Sie stirbt an einer Überdosis Drogen.

(Wolfgang Jansen)

 

 

Kritiken

 
"Ungewöhnlich an dem Stück ist die ebenso spröde wie äußerlich attraktive Szenenfolge, eine Kombination von Liedern, Sprechgesang, Monologen und Dialogen. Wesentliche Handlungsstränge werden erzählt, nicht dramatisch gestaltet. Dazu die eingängige, einfühlsam-sensitive Musik. Auf den ersten Blick scheint´s das Stück dem Betrachter leicht zu machen. Aber eben nur auf dem ersten Blick... 

Die Stückfassung geht zurück auf Tibor Derys gleichnamigen Kurzroman. [...] Dery deckt schonungslos auf, wie die von öffentlicher Hand organisierte massenhafte Flucht in eine Welt des schönen Scheins, in ein entrücktes Blumenkinder-Idyll zum Nährboden von Brutalität und Menschenverachtung werden kann, ohne freilich eine Alternative aufzuzeigen. Registrierende Kritik also - nicht mehr, nicht weniger.

Dies nun als Musical? [...] Die Musik bleibt konsequent der Aussage des Stückes verpflichtet, aber allein über die Musik ist diese Aussage nicht zu erschließen. Hier steht nun die Frage nach der darstellerischen Substanz, die einzubringen war. Laszlo Marton hat die 19 Darsteller zu einem bemerkenswerten Ensemblespiel geführt. Der leidenschaftliche Einsatz des jungen Kollektivs schlägt sich nieder in einer gelungenen Synthese von Gruppentanz und -gesang. Erstaunlich, mit welcher Lockerheit und Natürlichkeit das über die Rampe kommt. Leider ist Gleiches von der Charakterisierung der einzelnen Figuren nicht in jedem Fall zu sagen, auch nicht bei Sylvia Kuziemski (Eszther) und Detlef Heintze (Jozsef). Die Eigenart des Stückes aber läßt diese Abstriche am Darstellerischen stärker ins Gewicht fallen. Unversehens werden wichtige Handlungsmotive in den Hintergrund gedrängt. So ist die Gefahr groß, daß vor allem bei einem jugendlichen Publikum nur mehr die eingängige Musik im Gedächtnis bleibt. Dies heißt aber, das Stück ärmer zu machen als es ist. Es bleibt eine Herausforderung für weitere Inszenierungen."

Dieter Krebs: Kritisches Musical, "Fiktiver Report über ein amerikanisches Musical" in Weimar. In: Berliner Zeitung, Nr. 337, 6. Dezember 1972.

 

"Aus dieser Geschichte ein Beat-Musical mit politischem Akzent zu machen ist so verführerisch wie schwierig. In der Idee steckt auch schon der Widerspruch. Jene Art von Musik, die mir durchaus gefallen kann, ist in ihrem Ursprung fraglos Ausdruck von gleichermaßen Protest einer jungen Generation (der spätkapitalistischen Gesellschaft) und Manipulation dieser jungen, hoffnungslosen Leute (durch eben diese Gesellschaft). In ihrem Charakter fordert sie zu heftiger (suggestiver) Identifikation heraus, die allenfalls eine abstrakte Proteststimmung wider Krieg und Tod assoziieren kann. Als ästhetisches Ausdrucksmittel für wachsende Einsicht in gesellschaftliche Zusammenhänge ist sie kaum tauglich - und macht hier die ohnehin recht dünne Fabel streckenweise fast unwichtig. Über eine sehr allgemeine Weltverbesserungshaltung kaum hinausreichend, kann so die Story, auch wenn in ihr Eszthers Erinnerung an den Faschismus heraufbeschworen wird, die Musik eigentlich nur legitimieren. Umfunktionieren kann sie sie nicht. Indem sie sich ihrer bedient, wird sie von ihr überdeckt."

Rainer Kerndl: Eine verbesserte Welt kommt nicht von allein, Ungarisches Musical hatte in Weimar Premiere. In: Neues Deutschland, Organ des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Nr. 339, 8. Dezember 1974.

 

 

Medien / Publikationen


Audio-Aufnahmen

  • "Képzelt riport egy amerikai Pop-Festiválról". Ungarische Studio-Einspielung, Ungarn 1972, Qualiton SLPX 16579. (Vinyl/1xLP)

 

Literatur

  • Tibor Déry: Erdachter Report über ein amerikanisches Pop-Festival. Roman. Berlin (DDR): Volk und Welt 1974.

 

 

Kommentar

 

Die Inszenierung erfolgte im Rahmen der "Tage der ungarischen Theaterkunst in der DDR".

 

 

Empfohlene Zitierweise

 
"Fiktiver Report über ein amerikanisches Pop-Festival" ("Képzelt riport egy amerikai Pop-Festiválról"). In: Musicallexikon. Populäres Musiktheater im deutschsprachigen Raum 1945 bis heute. Herausgegeben von Wolfgang Jansen und Klaus Baberg in Verbindung mit dem Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. www.musicallexikon.eu

Letzte inhaltliche Änderung: 31. Oktober 2020.