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Die rote Karawane (Piros Karaván)

Musical-Tragödie 


Musik von Bela Szakcsi-Lakatos 
Buch von Géza Csemer
Deutsche Bühnenfassung von Wolfgang Tilgner

 

Inszenierung


Deutschsprachige Erstaufführung: 6. Oktober 1979
Metropol-Theater Berlin, DDR

  • Musikalische Leitung: Karl-Heinz Werner
  • Inszenierung: Hans-Joachim Martens
  • Bühnenbild: Manfred Bitterlich
  • Kostüme: Werner Schulz
  • Choreographie: Johanna Freiberg
  • Chöre: Wolfgang Schottke

 

Besetzung:  

  • Heiliger Petrus, ein Umgesiedelter: Gottfried Strehle
  • Bánó, ein Zigeunerpolizist: Wolfgang Eilers
  • Raffael, ein junger Wanderzigeuner: Thorsten Kaphan / Gunter Sonneson
  • Vorza, Zigeunerin: Margot Dörr
  • Káló, ihr Sohn: Karl-Heinz Kossler
  • Náni, ihre Tochter: Kriemhild Martens
  • Iboly, Kálós Frau: Heidemarie Ringk-Lippert
  • Bakro: Hans Glogowski
  • Locó: Werner Wittmar
  • Dinka, eine der "Vergnügten jungen Zigeuner": Maria Alexander
  • Csámpás, einer der "Vergnügten jungen Zigeuner": Hans Recknagel
  • Milán, einer der "Vergnügten jungen Zigeuner": Detlev Dathe / Wolfgang Ostberg
  • Puró, alter Zigeunerchronist: Wolfgang Borkenhagen
  • Básti, Dorfparteisekretär: Rudolf Hentschel
  • Birkás, Genossenschaftsbauer: Gert Böhme
  • Kovacs, Genossenschaftsbauer: Hans-Joachim Blochwitz
  • Kiss, Bauer: Horst Wess
  • Isaak, Wirt der Zigeunerkneipe: Martin Fleck
  • Kriminalbeamter: Karl-Heinz Bentzin
  • Müll-Satýo: Hans Pschichholz
  • Chor, Ballett und Orchester des Metropol-Theaters

 

Die jeweiige Besetzung wurde vor der Vorstellung mittels Aushang bekanntgegeben.

 

 

Premierenchronik

HUN UA 16. März 1974 Operettentheater, Budapest
DDR EA (i. Tschechisch) 26. September 1975 Metropol-Theater, Berlin
DDR Dspr. EA 6. Oktober 1979 Metropol-Theater, Berlin

 

Bei der Erstaufführung 1975 handelt es sich um ein Gastspiel des Theaters Nova Scena (Neue Bühne) aus Bratislava. Die Premiere war zugleich die Eröffnung der 19. Berliner Festtage.

 

 

Inhaltsangabe


"Das Stück spielt 1950 in Ungarn. Ein Zigeunerdorf am Rande einer Stadt. Bánó, dem Zigeunerpolizisten, gelingt es nicht, das Bindeglied zwischen staatlicher Ordnung und den Zigeunern zu werden. Die Ungarn bemühen sich um soziale Integration der Zigeuner, diese widersetzen sich, gestärkt durch die übermächtigen heiligen Traditionen des Nomadisieren, Vagabundierens; eigentlich ist es ein Getrieben- und Ausgestoßensein. Die Zigeuner feiern eine Freiheit, die das Gefühl von stolzer Ungebundenheit gebiert, aber wohl doch nur eine endlose Kette von Ängsten und Sorgen ist. Hunger vor allem treibt sie zu Handlungen, die im Gefängnis enden. In ihrer Not sind sie leicht verführbar. Regelmäßiger Arbeit nachzugehen, erlauben die Tradtionen nicht, die von einigen wachgehalten werden. Andere träumen nach vorn, aber die alten Riten schneiden diese realen Träume vom Leben ab wie den Kopf vom Rumpf. Unnötige Opfer sind die Folge. Bánó, der Gutmeinende, wird getötet. Iboly, die an der Seite Kálós ein neues Leben beginnen will, stürzt sich verzweifelt vor den Zug. Jetzt erst dämmert es Káló, daß Veränderungen notwendig sind."

(Wolfgang Lange: Zu opferreich, "Die Rote Karawane" von Csemer/Szakcsi-Lakatos im Metropol-Theater erstaufgeführt. In: Theater der Zeit, Heft 11/1979, Seite 19 - 29)

 

 

Kritiken


"Géza Csemer, genauso wie der Komponist Béla Szakcsi-Lakatos selbst Zigeuner und somit intimer Kenner des Milieus seiner Landsleute, läßt sein Stück ´Die rote Karawane - Leben und Traum der Zigeuner´ 1950 in einem Zigeunerlager in der Nähe eines ungarischen Dorfes spielen. Hier prallen die Gegensätze aufeinander: das rückständige, sich krampfhaft an überlebte Sitten und Gebräuche klammernde Zigeunertum, verkörpert in der alten Vorza, und die Bemühungen um eine neue Lebensweise, um ein Verhältnis zu geregelter Arbeit, verkörpert in dem Zigeunerpolizisten Bánó. Auch in der naiven Bereitschaft der jungen Náni einerseits und der kriminellen Haltlosigkeit des durch grauenvolle Erlebnisse in der faschistischen Zeit traumatisch gezeichneten Raffael andererseits prägen sich diese Gegensätze aus.

Wolfgang Tilgner suchte in der deutschen Bühnenfassung die Spezifika deutlich zu fassen. Einige gar zu vulgäre Textwendungen hätte er in seiner Übertragung ruhig eliminieren sollen. Was die Sache für mich bisweilen schwer erträglich machte, war die Tatsache, daß vieles in dem Stück mehrmals gesagt wird. Hier könnten straffende Striche die Wirkung steigern, zumal die viel zu langen Dialogszenen oftmals in einem krassen Mißverhältnis zur Ausdehnung der Musik stehen. Immerhin handelt es sich ja um ein Musical!"

Manfred Schubert: Langes Erwachen aus dem Traum, DDR-Musical-Erstaufführung "Die rote Karawane". In: Berliner Zeitung, Nr. 238, 8. Oktober 1979.

 

"Warum packt mich dieses Stück nicht, indes der durchaus vergleichbare ´Fiedler auf dem Dach´ Herz und Sinne bewegt? Dabei ist leicht zu ahnen, welche Bedeutung das Stück für die ungarische Szene hat. [...] Die musikalische Qualität ist unterschiedlich. Oft ist die Musik folkloristisch urwüchsig-authentisch, da reißt sie einen mit, wie etwa das Leit-Lied ´Hej, Devla´, andererseits ist sie von schaler Sentimentalität (Duett Náni/Bánó), mitunter scheint sie in ihrem gelackten Verismo durch Léhar ersetzbar. Die Instrumentation fällt auf. Mal ganz delikat und sparsam das Wesentliche der Aussage pointiert hervorhebend, mal talmihaft; mal von spitzer ironischer Haltung, mal von fast schauerlicher Pathetik gekennzeichnet. Das Orchester unter Karl-Heinz Werner nivellierte diese Gegensätze nicht, sondern breitete sie aus.

[...] Als zunehmend beieinträchtigend stellte sich heraus, daß Regisseur Hans-Joachim Martens die sozial rigorose, harte Übersetzung in einer überwiegend natural anmutenden, expressiv überzogenen Spielweise darbot. Auch die einfachste Mitteilung entlud sich oft in einem gestauten Schrei ohne Ende."

Wolfgang Lange: Zu opferreich, "Die Rote Karawane" von Csemer/Szakcsi-Lakatos im Metropol-Theater erstaufgeführt. In: Theater der Zeit, Heft 11/1979, Seite 19 - 29.

 

"Dieses ungarische Musical tut sich gar schwer, holt zu tiefer Tragik aus, drückt auf die Tränendrüse, ein tiefernster Brocken. Die Autoren bekennen sich dazu: das Genre der ´Musical-Tragödie´ ist geboren! Man könnte darüber diskutieren, ob das, was in der Endzeit bürgerlicher Operette an triefender Tragik auf uns zukam, nun unbedingt für heiteres Musical das Richtige ist: Ausnahmen wie ´Westside Story´ besagen gar nichts. Diese ´Karawane´ jedenfalls erschlägt unser Publikum mit einer schonungslosen Tragödie im Zigeunerlager. [...]

Ist es ein Sujet, dessen hier explosiv aufgeladener Konfliktstoff uns unmittelbar angeht? Es macht uns einige Schwierigkeiten, sich mit den Aktionen und Emotionen dieses Stücks ungarischer Geschichte zu identifizieren. Es gibt Vorbehalte, was die Figurenzeichnung im einzelnen betrifft. Ob sich das bei einer anderen deutschen Version hätte vermeiden lassen, erscheint möglich, keinesfalls sicher. [...]

Nun hätte man sicher weniger knallhart und sentimental inszenieren können, wie es hier durch Hans-Joachim Martens geschah. Tatsächlich ließ er nichts aus, um die affektuöse Tendenz des Stücks, das Gefühlsbetonte wie das Reißerische zu steigern. Gar manches (wie die Schlußlösung mit der Leiche der unglücklichen Iboly) wurde absichtlich ins Opernhafte überzogen. Warum wohl? Man spürte das Ringen um jede einzelne Gestalt, viel Ergreifendes, Bewegendes darunter. Das meiste war zu laut - die wenig feinfühlige akustische Verstärkung tat ihr Übriges."

Ernst Krause: Musical "Die rote Karawane", DDR-Erstaufführung: Metropol-Theater Berlin. In: Sonntag, Nr. 43, 28. Oktober 1979.

 

 

Medien / Publikationen


Audio-Aufnahmen

  • 7" SP Hungaroton, 1975

 

 

Empfohlene Zitierweise

 
"Die Rote Karawane" ("Piros Karaván"). In: Musicallexikon. Populäres Musiktheater im deutschsprachigen Raum 1945 bis heute. Herausgegeben von Wolfgang Jansen und Klaus Baberg in Verbindung mit dem Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. www.musicallexikon.eu

Letzte inhaltliche Änderung: 04. Januar 2020.