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Knickerbockers (Knickerbocker Holiday)

Musikalische Komödie in 2 Akten (3 Bildern)


Musik von Kurt Weill
Buch und Gesangstexte von Maxwell Anderson
Deutsche Übersetzung von Katharina Heinsius
Deutsche Übersetzung der Liedtexte von Johannes Stephan und Katharina Heinsius

 

 

Inszenierung


Deutschsprachige Erstaufführung: 25. November 1948  
Bühnen der Stadt Essen (Schauspielhaus im Jugendheim Essen-Steele), Französische Besatzungszone

  • Musikalische Leitung: Hans Jürgen Knauer
  • Regie: Klaus Heydenreich
  • Bühnenbild: Trude Karrer
  • Choreografie: Heinrich Trapp

 

Besetzung:  

  • Washington Irving: Bardo Wilden
  • Anthony Corlear: Josef Nicodem
  • Mistreß Schermerhorn: Charlotte Asendorf
  • Vanderbilt: Fritz Hellmann
  • Roosevelt: Lucian Lübke
  • De Peyster: Hans Kaiser
  • De Vries: Hans-Walter Bertram
  • Van Cortlandt jr. Hannes Loges
  • Tienhoven: Bernhard Wilfert
  • Schermerhorn: Hellmuth Erdmann
  • Brom Broeck: Horst Braun
  • Tenpin: Josef Meinertzhagen
  • Tina Tienhoven: Ingeborg Engelmann
  • Pieter Stuyvesant: Ernstwalter Mitulski
  • General Poffenburgh: Hans Sollmann
  • Bürger und Bürgerinnen von New York: Horst Bollmann, Fritz Brandenburg, Heinz Hunleth, Friedhelm Straubel, Karl Streck, Günther Titt, Margret Hoffmanns, Elfriede Heydorn, Hedwig Jockenhöfer, Gerda Klein, Marianna Kohl, Helene vom Orde, Maria Voß, Ingetraut Weiher 

 

 

 

Premierenchronik

USA UA 19. Oktober 1938 Barrymore Theatre, New York
D Dspr. EA 25. November 1948  Bühnen der Stadt Essen

 

 

 

Inhaltsangabe


"Irving-Anderson zeigt uns die Urväter von New York als ein recht fragwürdiges Völkchen. Zum bevorstehenden Besuch des Gouverneurs soll nach damaligen frommen Sitten jemand  aufgehängt werden. Da man einen Galgenvogel nicht zur Hand hat, wird einer zwar nicht hin-, aber hergerichtet. Der Gouverneur durchschaut den Schlendrian und die Verkommenheit in New York und verspricht seinen Landsleuten den ´goldenen Honigmond´ nach jenen Methoden, die wir Deutsche zwölf Jahre durchgekostet haben. Alle kuschen, bis auf eine ´Intelligenzbestie´. Sie soll hängen! Das Volk von New York aber rebelliert. Der Diktator will die Revolte zusammenschießen lassen, doch das duldet - der Autor nicht; er braucht ein happy end, und deshalb gibt der Diktator nach, und wenn er nicht gestorben ist, ist er sogar ein ordentlicher US-Demokrat geworden."

(aus: Willibald Omansen: "Knickerbockers Holiday", Maxwell Anderson-Erstaufführung in Essen. In: Die Neue Zeitung, 2. Dezember 1948.)

 

 

Kritiken

 
"Die Analogie auf das Dritte Reich liegt klar. Mit allen Mitteln des Sketsches werden Tyrann und Tyrannisierte in gleichem Maße unter die Peitsche des Spottes gestellt bis zur Erbarmungslosigkeit. Es gibt Stellen, an denen man brüllt vor Lachen und solche, an denen man sich schämt bis ins Herz hinein. Denn seien wir ehrlich: das alles ist doch noch recht wund und tut noch weh; und es sind, zum Teufel, Dinge, an denen wir um ein Haar kaputt gegangen wären...

Kunst dagegen ist die kapriziöse Musik, mit der Kurt Weill die hohen Vorzüge seiner Dreigroschenopern-Musik wieder aufzeigt.

Der Löwenanteil des Erfolges gebührt dem Spielordner Klaus Heydenreich; mit zahlreichen Ein- und Ausfällen unterhält er seine Zuhörer und trifft den Charakter des Spiels bis ins Letzte. Seiner Kunst gelingt es sogar, jenes Grenzland sichtbar zu machen, auf dem sich Komödie und Tragödie berühren: der Tanz des alternden, hinkenden Tyrannen mit dem blutjungen ihm vom Vater zugekuppelten Mädchen ist von pittoresker Traurigkeit.

Ernstwalter Mitulski ist der Gouverneur: ein käsig-blasser Kerl in Sportsakko und brauner Baske, einer altspanischen Halskrause, mit einer Adolfszahnbürste, mit Adolfsgesten und Adolfstönen legt er eine geradezu virtuose parodistische Leistung hin."

Willibald Omansen: M. Anderson: "Knickerbockers", Musik von Kurt Weill - Bühnen der Stadt Essen. In: Westdeutsche Allgemeine, 30. November 1948.

 

"Das eigentliche Maß aber dieses Stücks setzt die Musik. Kurt Weill illustriert und resümiert. Nur selten sind es Soli, in denen sich etwas entwickelt. Meistens sind es Chornummern, in denen eine Konsequenz festgestellt und eine Lehre gezogen wird. Die Melos dieser Nummern erscheinen zunächst ein wenig technisiert, Gebrauchsmusik von kollektiver Eleganz, ganz ohne Einsamkeit. Die aber dringt dann plötzlich in einigen grausig karikierten Märschen durch: die Parodie des aufgekitzelten Massentriebs entblößt Abgründe, in denen die Klage hochsteigt; die Groteske enthüllt sich - es ist die vergewaltigte Elegie (besonders prägnant wird das, wenn etwa die Stimme der Menschlichkeit in das straffe Korsett eines mechanistisch unbarmherzigen Walzers gepreßt wird). Eins aber wurde evident. Wie sehr die Magie der Dreigroschenoper von ehedem auf die Sprache Bert Brechts beruhte. Dem Vergleich hielten die Texte Andersons (abgesehen von der mäßigen Synchronisierung) nicht stand.

Im übrigen aber ist diese Komödie ein sehr intelligentes und brauchbares Gemisch von Sketch, heiterem Klamauk und kabarettistischem Tiefsinn. Der Tiefsinn ist sehr sicher placiert und schafft immer wieder Ruhepunkte der Besinnung. Das alles kam, bei den nicht unbeschränkten Mitteln des Essener Theaters, in der Inszenierung von Klaus Heydenreich zu brillanter Wirkung."

Albert Schulze Vellinghausen: Ein bißchen Freiheit, Illustriert von Kurt Weill. In: Der Kurier, 29. November 1948.

 

"Ein solcher Spaß kann uns gebrannte Kinder den Ernst nicht ganz vergessen lassen, zumal wir sehen müssen, daß es dem sympathischen Helden nicht einmal im Spiel gelingt, das Böse aus eigener Kraft zu besiegen. Zwar gibt es ein happy end, in dem Brom doch noch die Beinahe-Diktatoren-Braut (frisch und herzlich: Inge Engelmann) bekommt. Aber das geschieht nur durch das persönliche Eingreifen des Autors in der Maske eines alten Kollegen Washington Irving (Wolfgang Schirlitz), der führt den Diktator vor die Nachwelt im Zuschauerraum und, wie eine gute alte Tante, zur Vernunft: was sollen denn die Leute von dir sagen? Leider kommen so weise Autoren immer erst hinterher, und kämen sie zeitiger so würden den wirklichen Ditatoren - wie wir Grund zu vermuten haben - die zukünftigen ´Leute´ schnurzegal sein."

Alfred Brasch: Kritische Umschau: Anderson-Weill: "Knickerbocker". In: Rheinische Post, 27. November 1948.

 

 

Medien / Publikationen


Audio-Aufnahmen

  • "Knickerbocker Holiday". Radio Cast, taken from November 1938 and December 1945 radio broadcasts, USA, released 1995, AEI-Records, AEI-CD 007. (1xCD)
  • "Knickerbocker Holiday". Live-Mitschnitt eines Konzerts des Collegiate Chorale und American Symphony Orchestra vom 25./26. Januar 2011, Ghostlight Records, USA 2011, 8-4450. (1xCD)

 

Literatur

  • Washington Irving: Dietrich Knickerbockers humoristische Geschichte der Stadt New York. Nach einer Übersetzung aus dem Jahr 1829 neu herausgegeben von Hans Petersen, Insel Taschenbuch 592, Frankfurt/M.: Suhrkamp 1981.
  • David Farneth, Elmar Juchem, Dave Stein (Hrsg.): Kurt Weill, Ein Leben in Bildern und Dokumenten. Aus dem Englischen übersetzt von Elmar Juchem, Berlin: Ullstein 2000.
  • Elmar Juchem: Kurt Weill und Maxwell Anderson, Neue Wege zu einem amerikanischen Musiktheater, 1938-1950. Veröffentlichungen der Kurt-Weill-Gesellschaft, Band 4, Stuttgart: Metzler 2000.
  • Jürgen Schebera: Kurt Weill. Mainz: Schott 2016.

 

 

Kommentar

 
Die deutschsprachige Erstaufführung war zugleich die europäische Erstaufführung.

Der US-Film "Knickerbocker Holiday" von 1944 ist eine freie Adaption des Bühnenwerks.

Für die Inszenierung am 25. September 1976 im Hamburger Thalia-Theater verfassten Ute und Volker Canaris eine neue Übersetzung.

 

 

Empfohlene Zitierweise

 
"Knickerbockers" ("Knickerbocker Holiday"). In: Musicallexikon. Populäres Musiktheater im deutschsprachigen Raum 1945 bis heute. Herausgegeben von Wolfgang Jansen und Klaus Baberg in Verbindung mit dem Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. www.musicallexikon.eu

Letzte inhaltliche Änderung: 31. Januar 2021.